Waldorfschule Aesch

Relativ kurzfristig und so ohne Voranmeldung, nämlich aufgrund eines Infoflyers im Tram, habe ich im Januar 2009 eine der zahlreichen Rudolf-Steiner-Schulen (so heißen Waldorfschulen in der Schweiz) in und um Basel besucht, nämlich die in Birseck: http://www.steinerschule-birseck.ch/. Sie liegt südlich von Basel-Stadt, in Aesch, direkt hinter dem dortigen Bahnhof der SBB – NB: nicht des Trambahnhofes.

Ich war da zu einem Elterninformationsabend und zum offenen Unterricht im Rahmen der von allen Baselbieter Steinerschulen einmal jährlich veranstalteten Tage der Offenen Tür. Weil ich dachte, die Schule liege am Trambahnhof, kam ich zum Elternabend etwas zu spät, und verpaßte die Vorstellungsrunde – sollte es eine solche gegeben haben. Macht aber nix, fand ich, fand es unpassend, das nachzuholen, und blieb damit 'inkognito'. Am Elternabend, der von ca. 15 Menschen be-sucht war, gab es ein Informationsgespräch und sodann eine ausführliche Schulführung, zum offenen Unterricht drei Tage später war ich v.a. in der Mittel- und Oberstufe, hätte aber auch in die Primarschulklassen gehen können.

Untergebracht ist die Schule in einem ehemaligen Fabrikgebäude, das sukzessive umgebaut wird. So ist des Gelände recht weitläufig, das Hauptgebäude ist schon fertig und weist die typischen Cha-rakteristika anthroposophischer Architektur auf: abgeschrägte Ecken, schief-runde Türbögen etc. Viel Holz wurde verbaut, und so gibt es insgesamt eine recht angenehme Atmosphäre. Von der Ausstattung der Schule war ich schwer beeindruckt: Es gibt nicht einen typischen Allzweckwerk-raum, wie man ihn aus Staatsschulen so kennt, nein, eine richtige Schreinerei (mit allen großen Maschinen), eine Schmiede, in der auch Kupfer getrieben wird, eine Töpferei (dort standen von SchülerInnen hergestellte Büsten, Sokrates etc. – richtig gut, sahen überhaupt nicht nach Schülerar-beiten aus), ein Photolabor mit mindestens 10 Vergrößerungsstationen (also richtig gut ausgestat-tet) und eine Buchbinderei, die auch Aufträge für Museumskalender etc. bearbeitet. In verschiede-nen Klassenstufe arbeiten die SchülerInnen dort in den verschiedenen Werkstätten, und dies ist Teil des regulären Unterrichts, also nicht eine freiwillige Nachmittags-AG. Theater gespielt wird auch sehr häufig, verschiedene Klassenstufen spielen wechselnde Stücke der Weltliteratur – anders als man es von verschiedenen Waldorfschulen kennt, spielen also nicht immer bestimmte Klassenstufen immer das gleiche Stück. Auf dem Schulgelände stehen Miniaturburgen, -schlösser und –häuser, groß genug für ein Grundschulkind und richtig gemauert, mit Torbogen etc. Deutlich wird, wie es auf der Seite der Mayenfelser Schule (www.mayenfels.ch) auch explizit heißt "die Gleich-wertigkeit des intellektuellen, künstlerischen und handwerklichen Unterrichts". Jedenfalls hinsichtlich eben genannter Möglichkeiten wäre dies eine Schule, auf die zu gehen mir als Schülerin sicher auch großen Spaß gemacht hätte.

Der Unterricht selbst war gut, didaktisch und pädagogisch nach allen Regeln der Kunst, wie wir sie auch in der staatlichen Ausbildung lernen (Einstieg, Erarbeitung, Sicherung, Methodenwechsel etc.), wirklich exzellent, eigentlich besser. Schön fand ich die persönliche Atmosphäre – SchülerInnen werden mit Hand-schlag begrüßt und verabschiedet – die dennoch nicht in disziplinarischem Chaos endet. Was die Absenzenregelung betrifft, schien sie mir sogar effektiver und strenger, als es in mancher Staatsschule in Baden-Württemberg der Fall ist.

Wie alle Waldorf-/Rudolf-Steiner-Schulen ist es eine Gesamtschule, mit Klassenlehrerprinzip in den ersten, hier den ersten 7 (nicht wie oft in Deutschland, 8) Schuljahren. In den ersten Klassenstufen wird von manchen LehrerInnen eine Variante des Konzepts der bewegten Schule verfolgt, es gibt bewegliche Bänke, die je nach Unterrichtsform umgestellt werden, verschiedene Teile des Klassenzimmers für unterschiedliche Unterrichtsformen etc. Ab der Mittel-, v.a. aber Oberstufe gibt es für die Fremdsprachen eine langsame und eine schnelle Gruppe, was die naturwissenschaftliche Schwerpunktsetzung betrifft, so arbeiten die Steiner-Schulen des Baselbietes zusammen, die eine ist mehr auf Chemie, die andre mehr auf Physik spezialisiert und hat die entsprechende bessere Ausstattung. Insgesamt läuft das ganze in oberer Mittel- und Oberstufe als sog. integrierte Mittelschule. Neben dem internen Schulabschluß kann man verschiedene Abschlüsse im Schweizer Schulsystem erwerben, ca. 1/3 jedes Jahrgangs erwirbt die Zulassung zum Gymnasium, so daß man (je nach der Regelung des Gymnasialschulwesens in den Kantonen BS, BL, AG) in einem, zwei oder drei weiteren Jahren die Matur erwerben kann.

Nun ist indes eine Steiner-Schule mehr als allein ein reformpädagogisches Unternehmen. Dahinter steht die Weltanschauung der Anthroposophie. Freilich, jede Pädagogik beruht auf einem bestimmten Weltbild, insbesondre einem bestimmten Menschenbild, dasjenige der Steiner-Schulen ist eben das Rudolf Steiners. ("Unsere Pädagogik basiert auf der geisteswissenschaftlichen Menschenkunde, wie sie von Rudolf Steiner durch die Anthroposophie begründet wurde." http://www.mayenfels.ch/).

Inwieweit sich diese auch in Aesch durchschlägt, konnte ich nicht festsellen. Man liest, daß in Steiner-Schulen ein Kind von der Lehrkraft in eine der vier Gruppen der Sanguinenlehre eingeteilt und es entsprechend behandelt wird, daß es von Atlantis als der Wiege der Menschheit als historischer Tatsache lernt, und es nach den Grundsätzen einer Lehre unterrichtet wird, die von Reinkarnation und Karma ausgeht, davon, daß sich das Kind seine Eltern selbst ausgesucht hat (was ist aber mit solchen Eltern, die ihre Kinder schlecht behandeln, gar mißbrauchen?), und daß sich seine Identität in Siebenjahreszyklen entwickelt, so dass der Unterricht entsprechend bis zum 14 Lebensjahr im Vergleich zur Staatsschule wenig kognitiv gestaltet ist. Was all erst genanntes angeht: keine Ahnung, wie sehr man sich da auf Literatur verlassen kann, und wie es letztlich gehandhabt wird, ich habe davon nichts mitbekommen. Letzteres konnte ich indes jedenfalls für den Fremdsprachenunterricht feststellen. Dieser ist in den unteren Klassen nach dem Prinzip des Erstspracherwerbsaufgezogen. Eine Lehrkraft versicherte mir indes, daß ein Kind, das kognitiv Bedarf hat, aber auch entsprechend versorgt wird, sodaß ihm nicht langweilig wird. Wie sie's mit dem Fußballspielen halten, konnte ich leider auch nicht rausfinden (was mich als ehemals passionierte Spielerin natürlich schon interessiert... ;-)).

Nach einem Tag der Hospitation und nach gleichwohl extensiver, aber nicht abschließender Lektüre anthroposophischer Sekundärliteratur (Steiner hatte ich vor Jahren mal versucht zu lesen und bin damals jedenfalls nicht so wirklich durchgestiegen) will ich mirnichts abschließendes erlauben. Ich denke aber, daß jede/r, die/der überlegt, an einer solchen Schule zu arbeiten oder eigene oder andere Kinder dorthinzuschicken, sich näher mit den Hintergründen dieser Pädagogik befassen sollte. Im Unterschied zu anderen Reformpädagogischen Schulen ist hier hier jedenfalls mehr an einer ganz spezifischen Weltanschauung im Hintergrund. Wie man diese sieht und zu ihr steht, mag jedem/r selbst überlassen werden (ich find's erstmal interessant, würde da gerne arbeiten, und sicher gibt es einiges was man auch an Staatsschulen von Steiners lernen kann) – aber man sollte sich ihrer Existenz bewußt sein.

Informationen zu den Steinerschulen in der Schweiz findet Ihr auf: http://www.steinerschule.ch/, zu den zahlreichen in der Region Basel auf: http://www.steinerschulen-regionbasel.org/. Auf all diesen Seiten findet Ihr bereits ausführliche Informationen zum pädagogischen Konzept in den verschiedenen Klassenstufen.
Stundenpläne kann man sich auf http://www.steinerschule-birseck.ch/index.php?id=777
http://www.steinerschule-birseck.ch/index.php?id=721 , aber auch vielen anderen Schulseiten anse-hen.
Die pädagogischen Ziele in a nutshell stehen auf http://www.steinerschule-birseck.ch/index.php?id=676, ausführlichere mehr Infos gibt es auf http://www.paedagogik-akademie.ch/.
Zur Anthroposophie als Gesamtem empfehle ich den informativen AnthroWiki: http://wiki.anthroposophie.net/Hauptseite, sowie
Zander, Helmut:
Anthroposophie in Deutschland. Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis Bd. I und II, Göttingen 2007/2008.

Kommentare, Fragen, Hinweise: dh1_3rw[at]web.de

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